Eine kleine Meldung aus meiner hessischen Heimat brachte mich auf die Idee zu diesem Blogbeitrag. Die Hessenschau fragte: Ist die steilste Straße Deutschlands in der Wetterau? In der Wetterau habe ich viele Jahre lang gewohnt und die Straße, um die es geht, kenne ich aus eigener Anschauung bzw. Begehung – sie ist extrem steil. Bevor ich darauf eingehe, was die steilste Straße mit dem Thema Daten und Datenverarbeitung zu tun hat, brauche ich erst einmal eine Antwort auf die Frage: Wie steil darf eine Straße überhaupt sein, bevor sie zum Pfad für Bergziegen wird?
Wann ist eine Straße steil?
Fußgänger werden irgendwann zu Bergsteiger*innen. Sie klettern da weiter, wo eine Straße zu steil wird, um mit einem Verkehrsmittel befahren zu werden. Bevor wir gemeinsam in die Welt der Datensammlung eintauchen, müssen wir uns die physischen Grenzen ansehen, denen Fahrzeuge unterliegen.
Steigungen von 12 bis 15 Prozent können Pkw problemlos bewältigen. Theoretisch könnten die meisten gängigen Autos Steigungen bis 30 Prozent bewältigen, aber in diesem Bereich wird es schon anspruchsvoll für Fahrzeugtechnik und Verkehrssicherheit. Herkömmliche Fahrräder stoßen – je nach Kondition des Fahrers oder der Fahrerin! – schon bei einer Steigung im Bereich von 8 bis 12 Prozent an ihre Grenzen, während E-Bikes bis zu 20 Prozent bewältigen können, abhängig von Motor- und Strampelleistung. Lkw kommen übrigens schon bei 10 Prozent mächtig ins Schnaufen.
Die steilste Straße
Auch mit diesem Wissen erweist sich die Suche nach der steilsten Straße Deutschlands als gar nicht so einfach. Eine schnelle Suche im Internet liefert einen bunten Reigen an Straßen vom Steinkaulenberg in Stuttgart mit gerade einmal 20,9 Prozent über die Oberweißbacher Straße in Deesbach (Thüringen) mit immerhin 25,3 Prozent bis hin zum hessischen Hasenpfad mit seinen stolzen 29 Prozent Steigung bzw. Gefälle – ganz nach Blickwinkel. Die steilste Straße der Welt liegt laut Guinness-Buch der Rekorde übrigens auf der anderen Seite der Erdkugel, nämlich in der neuseeländischen Stadt Dunedin. Die dortige Baldwin Street erreicht eine Steigung von sage und schreibe 35 Prozent.
Eine eindeutige deutsche Steigungsgewinnerin lässt sich nicht ausmachen. Denn obwohl Deutschland als das Land der geregelten Verordnungen und Daten gilt, gibt es keine offizielle, zentrale Datenbank aller Straßensteigungen in Deutschland. Die Informationen über die Neigung stammen aus verschiedenen Quellen: von Vermessungsämtern über OpenStreetMap-Beiträge bis hin zu GPS-Daten von Millionen von Verkehrsteilnehmern.
Das große Datensammeln
Zu den traditionellen Methoden, Steigungsdaten zu erfassen, gehört das Vorgehen der Vermessungsämter. Seit Jahrzehnten erfassen die Vermessungsämter in Deutschland Höhendaten als Grundgerüst für topografische Karten und für die Straßenplanung. Straßenbauverwaltungen dokumentieren bei Neubau und Sanierung auch die Steigungswerte ihrer Strecken – allerdings in der Regel nur für die eigenen Planungsunterlagen.
Die Möglichkeiten von GPS (für Global Positioning System bzw. Globales Positionsbestimmungssystem) und GPS-Tracking hat das Sammeln von Daten verändert. Millionen von Smartphones, Navigationsgeräten und Fahrzeugen tracken und sammeln kontinuierlich digitale Höhen- und Positionsdaten. Internet- und Navigationsunternehmen nutzen diese Informationen, um ihre Karten zu verbessern.
Crowdsourcing-Projekte wie OpenStreetMap ermöglichen es jedem bzw. jeder einzelnen, lokales Wissen beizusteuern. Radfahrer markieren besonders steile Anstiege, Autofahrer teilen ihre Erfahrungen mit schwierigen Strecken. Vernetzte Fahrzeuge und IoT (d. h. Internet of Things bzw. Internet der Dinge) liefern heute Echtzeitdaten über Fahrzeugbelastung, Geschwindigkeitsveränderungen und Kraftstoffverbrauch – alles Indikatoren für Steigungen. Dazu erfassen Satelliten und Drohnen in Fernerkundung die Höhenprofile ganzer Landschaften mit zentimetergenauer Präzision. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) erstellt regelmäßig aktualisierte digitale Geländemodelle.
Bei so vielen Daten müsste es doch ganz einfach sein, die steilste Straße zu finden, oder?
Zentrale Datenerhebung?
Eine zentrale Datenbank fehlt trotz aller digitalen Möglichkeiten nach wie vor. Aber wäre eine zentrale Datenbank aller Straßensteigungen sinnvoll? Diese Frage habe ich claude.ai gestellt und erhielt folgende Auskunft mit Argumenten für und gegen zentrale Datenerhebung:
„Die Antwort ist ein klares Jein.
Pro zentrale Erfassung:
Verkehrssicherheit: Bessere Routenplanung für verschiedene Fahrzeugtypen
Umweltschutz: Optimierte Routen reduzieren Kraftstoffverbrauch und Emissionen
Wirtschaftlichkeit: Logistikunternehmen könnten Kosten sparen
Barrierefreiheit: Menschen mit Mobilitätseinschränkungen profitieren von präzisen Steigungsangaben
Contra zentrale Erfassung:
Kosten: Die flächendeckende Erfassung wäre extrem teuer
Dynamik: Steigungen ändern sich durch Bauarbeiten, Witterung und Straßenschäden
Redundanz: Viele Daten werden bereits von verschiedenen Akteuren erfasst
Datenschutz: Zentrale Sammlung birgt Risiken für die Privatsphäre“
Die Grenzen des Sammelns
Die scheinbar unbedeutende regionale Frage nach der steilsten Straße bringt uns also geradewegs ins Zentrum aktueller Diskussionen rund um Grenzen und Nutzen von Datensammlungen ganz allgemein. Abgesehen von rechtlichen und ethischen Grenzen und Bedenken geht es auch um technische und wirtschaftliche Überlegungen. Wäre es wirklich sinnvoll, jede Straßensteigung millimetergenau zu erfassen, obwohl das technisch möglich wäre? Müssen wir wirklich wissen, wo die steilste Straße liegt, welchen gesellschaftlichen Nutzen hätte dieses Wissen?
Viele weitere Fragen ließen sich stellen. Deutlich wird schon jetzt, dass es in komplexen modernen Informationsgesellschaften letztlich immer darum geht, die richtige Balance zwischen Nutzen und Aufwand zu finden. Die eigentliche Herausforderung liegt in diesem Beispiel nicht im Sammeln immer genauerer Daten, sondern in der sinnvollen Nutzung bereits vorhandener Informationen. Algorithmen, die verschiedene Datenquellen anders und sinnvoller verknüpfen, können oft wertvoller sein als neueste technische Errungenschaften.
Und die steilste Straße Deutschlands? Vielleicht werden wir sie nie mit hundertprozentiger Sicherheit kennen. Das ist wahrscheinlich auch gar nicht so wichtig. Wichtiger ist, dass die Daten, die wir haben, uns Menschen helfen und wir sicher sein können, dass Datensammlungen sicher und effizient sind und unsere Privatsphäre schützen.
Was meinen Sie? Sollten wir mehr Daten sammeln oder die vorhandenen besser nutzen?